AG Psychoonkologische Versorgungsforschung

Die psychoonkologische Versorgungsforschung befasst sich mit der Entwicklung, Durchführung und Überprüfung der psychoonkologischen Beratung, Begleitung und Behandlung von Krebspatienten und deren Angehörigen im Verlauf der Krebstherapie und Krebsnachsorge.

Priv.-Doz. Dr. phil.--Kusch-Michael
Priv.-Doz. Dr. phil. Michael Kusch

Leiter Psychologische Versorgungsforschung

Gebäude 70 (CIO), 6. Etage, Raum 6.041

fax icon+49 221 478-97191

Forschungsschwerpunkte

Wissenschaftliche Projekte

Grafik: Uniklinik Köln
Grafik: Uniklinik Köln

Gefangen in der Sprachlosigkeit (GiS)

Das Phänomen der Sprachlosigkeit umfasst ein neues, psychologisches Konzept, welches in den vergangenen Jahren intensiv durch die AG Psychoonkologische Versorgungsforschung beforscht wurde. Bisher wurden zwei Forschungsprojekte mit einer Dauer von je zwei Jahren (April 2020 bis Juni 2022 „Alexithymie – Gefangen in der Sprachlosigkeit“; Oktober 2021 bis September 2023 „Gefangen in der Spachlosigkeit“), gefördert durch die Barbara und Wilfried Mohr-Stiftung, durchgeführt.

Der Arbeitsgruppe ist es dabei gelungen drei Formen der Sprachlosigkeit empirisch nachzuweisen:

  • Die intentionale Sprachlosigkeit beschreibt das willentliche Schweigen einer Person innerhalb von Gesprächssituationen und tritt dann auf, wenn eine Person ein bewusstes Signal an den Gesprächspartner übermitteln möchte, nicht über einen spezifischen Gesprächsinhalt zu sprechen. Zudem ist eine intentionale Sprachlosigkeit zu beobachten, wenn sich die sprachlose Person davor schützen möchte etwas peinliches zu sagen, oder durch die verschwiegene Aussage die andere Person hätte verletzt werden können
  • Die non-intentionale Sprachlosigkeit beschreibt das unwillenliche nicht-Sprechen einer Person innerhalb einer Gesprächssituation. Die non-intentionale Sprachlosigkeit drückt sich darin aus, dass die sprachlose Person versucht, verbal zu kommunizieren, ihr es jedoch nicht möglich ist, die richtigen Worte zu finden bzw. diese auszusprechen. Die Person nimmt sich dabei selbst als „sprachlos“ wahr. Diese Form der Sprachlosigkeit wird durch eine verletzte Erwartungshaltung, unerwartete Informationen oder aber durch eine emotionale Überwältigung des Erlebten ausgelöst.
  • Die emotionale Sprachlosigkeit umfasst die Wahrnehmung, Verarbeitung und Äußerung von Emotionen. Teilen Personen ihre Emotionen nicht mit ihrem Umfeld, ist dies nicht notgedrungen durch ein willentliches Verschweigen (intentionale Sprachlosigkeit) oder durch fehlende Worte (non-intentionale Sprachlosigkeit) bedingt, sondern kann dadurch beeinflusst sein, dass die eigenen Emotionen nur teilweise unterdrückt oder nur bedingt wahrgenommen werden. Diese fehlende Wahrnehmung und Verarbeitung bzw. Beschäftigung mit den eigenen Emotionen beeinflusst den Sprachprozess und steht in Verbindung mit der intentionalen und non-intentionalen Sprachlosigkeit.
Abbildung 1: Durchschnittliche Werte der Formen von Sprachlosigkeit in deutschsprachigen Allgemeinbevölkerung, gemessen durch die Fragebogenkomponenten des Kölner Fragebogens zur Sprachlosigkeit an einer Stichprobe von N = 1350 Personen
Abbildung 1: Durchschnittliche Werte der Formen von Sprachlosigkeit in deutschsprachigen Allgemeinbevölkerung, gemessen durch die Fragebogenkomponenten des Kölner Fragebogens zur Sprachlosigkeit an einer Stichprobe von N = 1350 Personen

Kölner Fragebogen zur Sprachlosigkeit (KFS) und Studienergebnisse zum Phänomen der Sprachlosigkeit

Der Kölner Fragebogen zur Sprachlosigkeit bildet ein psychologisches Selbsterhebungsinstrument zur empirischen Erhebung des Phänomens der Sprachlosigkeit. Der KFS ist das Resultat der Forschungsprojekte zur Sprachlosigkeit und besteht aus drei Fragebogekomponenten, welche jeweils eine Form der Sprachlosigkeit erheben.

Die Fragebogekomponente zur intentionalen Sprachlosigkeit (KFS-IS) umfasst 16 Fragen (Items), dabei kann ein maximaler Wert von 80 Punkten erreicht werden; die Fragebogekomponente zur non-intentionalen Sprachlosigkeit (KFS-NIS) umfasst 20 Items, dabei kann ein maximaler Wert von 100 Punkten erreicht werden; die Fragbogenkomponente zur emotionalen Sprachlosigkeit (KFS-E) umfasst 19 Items, dabei kann ein maximaler Wert von 95 Punkten erreicht werden.

Innerhalb aller Komponenten weisen höhere Werte auf eine deutlich ausgeprägtere Sprachlosigkeit in der Person hin. Die Fragebogekomponenten wurden an einer Normierungsstichprobne aus N = 1350 Personen (M = 45,23 Jahre; SD = 14,22) der deutschsprachigen Normalbevölkerung validiert (die durchschnittlichen Punktwerte der einzelnen Formen der Sprachlosigkeit können Abbildung 1 entnommen werden).

Abbildung 2: Vergleich der durchschnittlichen emotionalen Sprachlosigkeit zwischen Krebspatientinnen und –patienten gegenüber Personen ohne onkologische Erkrankung
Abbildung 2: Vergleich der durchschnittlichen emotionalen Sprachlosigkeit zwischen Krebspatientinnen und –patienten gegenüber Personen ohne onkologische Erkrankung

Zudem erfolgte die Validierung der Fragebogenkomponente zur emotionalen Sprachlosigkeit (KFS-E) an einer umfassenden Stichprobe onkologischer Patientinnen und Patienten. Die Ergebnisse weisen daraufhin, dass onkologische Patientinnen und Patienten vermehrt von einer hohen Ausprägung emotionaler Sprachlosigkeit betroffen sind (siehe Abbildung 2).

Retrieval psychischer Belastungen bei Krebs

Patientinnen- und Patientendaten bilden die Grundlage wissenschaftlicher Forschung. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse dieser Daten bleibt den Patientinnen und Patienten oftmals jedoch vorenthalten oder ist nur schwer zugänglich. Das Projekt „Retrival psychischer Belastung bei Krebs“ bildet die Konzeptionierung und IT-gestützte Entwicklung einer Webanwendung, die es onkologischen Patientinnen und Patienten ermöglichen soll, ihre psychische Belastung der Krebserkrankung mit denen einer Peer-Stichprobe zu vergleichen. Patientinnen und Patienten erhalten durch die Angabe ihrer Diagnose, ihres Alters, ihres Geschlechts und Familienstands eine spezifische, aus einem umfassenden Datensatz der Regelversorgung, generierte Peer-Stichprobe von Personen mit identischen Merkmalen, anhand derer sie ihre eigene psychische Belastung, welche zuvor durch die Nutzung der Webanwendung ermittelt werden kann, einordnen können. Ziel ist es Patientinnen und Patienten eine Zuordnung zu ermöglichen und die Hemmschwelle einer Inanspruchnahme psychotherapeutischer Hilfestellungen zu reduzieren. Die Entwicklung der Webanwendung erfolgt in Kooperation mit der Fachhochschule Dortmund.

Publikationen außerhalb PubMed

Kusch, M., Labouvie, H., Gerlach, A. L., Hellmich, M. & Hallek, M.
Kommt die Personalisierte Psychoonkologie? Kommt die Personalisierte Psychoonkologie?
TumorDiagnostik & Therapie 2016, 37(10), 650-564

Kusch M, Labouvie H, Hein-Nau B.
Klinische Psychoonkologie
Heidelberg: Springer; 2013. doi:10.1007/978-3-642-31748-4

Dietz, T., Schiewer, V., Tavenrath, S. et al.
Kölner Fragebogen zur Sprachlosigkeit.
Psychotherapeut (2021). https://doi.org/10.1007/s00278-021-00541-2

Öztürk-Arenz, H., Dietz, T., Schiewer, V., Durakovic, V., & Kusch, M. (2023). The impact of creative arts therapies on emotional speechlessness in cancer: A pilot study. The Arts in Psychotherapy, 85, 102056. https://doi.org/10.1016/j.aip.2023.102056

Dietz, T., Schiewer, V., Tavenrath, S., Öztürk-Arenz, H., Klein, A., Labouvie, H., ... & Kusch, M. (2022). Cologne questionnaire on speechlessness: Empirical testing of a threshold for clinical use. Psychotherapeut, 1-8. https://doi.org/10.1007/s00278-021-00541-2

Kooperationen
  • Haus der Krebs-Selbsthilfe – Bundesverband e.V.
  • Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, Uniklinik Köln
  • Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Epidemiologie, Uniklinik Köln
  • Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft, Universität zu Köln
  • Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V., Düsseldorf
  • Medizinische Informatik, Fachhochschule Dortmund
  • Psychologisches Institut, Humanwissenschaftliches Institut, Universität zu Köln
Fördermittel
  • Innovationsfonds des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss (isPO Projekt)
  • Barbara und Wilfried Mohr-Stiftung 

Das Team

Vera Schiewer, M. Sc. Versorgungswissenschaft
Thilo Dietz, M. Sc. Versorgungswissenschaft, Doktorand