Labor für antivirale Immunität

Identifizierung von viralen Schwachstellen

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Die Wechselwirkungen zwischen Viren und dem Immunsystem eines infizierten Patienten haben einen starken Einfluss auf beide Organismen. Nach der Infektion ist das menschliche Immunsystem bestrebt, seine Fähigkeiten zur Erkennung und Bekämpfung des jeweiligen Virus zu verbessern, während der Erreger Escape-Mutationen entwickeln kann, die es ihm ermöglichen, diesen Immunreaktionen zu entkommen. Wenn diese Mutationen nicht zu einer Verminderung die „virale Fitness“ (seine Fähigkeit, sich zu vermehren und mehr Zellen zu infizieren) führen, hat diese virale Quasispezies einen evolutionären Vorteil gegenüber dem angestammten Virus, wird ihm schließlich zahlenmäßig überlegen sein und das menschliche Immunsystem zwingen, seine Reaktion erneut anzupassen.

Mit dem übergeordneten Ziel, künftige antivirale Therapien und Impfstoffe zu verbessern, verfolgt unsere Gruppe folgende Ziele

  • diese Wirt-Virus-Interaktionen besser zu verstehen,
  • neue Techniken zur raschen Erkennung von viralem Escape einzusetzen und
  • Strategien zu entwickeln, die das Entweichen von Viren verhindern.
Univ.-Prof. Dr. Dr.--Schommers-Philipp
Univ.-Prof. Dr. Dr. Philipp Schommers

Leiter Labor für antivirale Immunität
Laboratory of Antiviral Immunity

ZMMK (Gebäude 66), Raum 2.019, Robert-Koch-Str. 21, 50931 Köln

Schwerpunkt: Klinische Infektiologie, HIV, Immunologie

fax icon+49 221 478-1427272

Nach seinem Medizinstudium von 2007 bis 2013 in Köln und Sydney, begann Herr Schommers seine Facharztausbildung im Jahre 2013 in der Klinik I für Innere Medizin der Uniklinik Köln.  Er erhielt seine Facharztanerkennung für Innere Medizin im Jahr 2021 die Zusatzbezeichnung Infektiologie im Jahr 2023. Derzeit ist Dr. Schommers als Oberarzt in der Abteilung für Infektiologie tätig, wo er aktuell die infektiologische Station leitet.

Mit dem Ziel, “Clinician Scientist“ auf dem Gebiet der Immunologie und Infektiologie zu werden, unterbrach Dr. Schommers nach seiner ersten Promotion (Dr. med.) seine klinische Ausbildung. Während dieser Zeit wechselte er in das Labor von Prof. Marcus Altfeld am renommierten Leibniz-Institut für Virologie in Hamburg. Im Jahr 2016 kehrte Dr. Schommers an die Uniklinik Köln in das Labor von Prof. Florian Klein zurück, wo er im Jahr 2020 seine zweite Promotion (Dr. nat. med). Aufgrund seiner zahlreichen Publikationen und seiner langjährigen Lehrerfahrung konnte er sich im Jahre 2022 habilitieren.

Das durch Ihn geleitete Labor für antivirale Immunität hat sich zum Ziel gesetzt, hochdynamische Wirt-Pathogen Interaktionen besser zu entschlüsseln, um mit dem gewonnenen Wissen die Therapie und Prävention von Infektionserkrankungen verbessern zu können. Hierbei konzentriert sich das Labor aktuell vor allem auf die Antikörperantwort von infizierten Patienten oder geimpften Personen und die hierdurch ausgelösten Fluchtmutationen in Viren wie zum Beispiel HIV oder SARS-CoV-2.

Dr. Schommers und sein Labor wurden in den letzten Jahren durch mehrere Stipendien und Förderungen unterstützt. Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) förderte ihn frühzeitig mit mehreren Stipendien. Von 2021 bis 2023 wurde er durch das Gilead Research Scholars Program in HIV gefördert. Seit 2022 wird das Labor für antivirale Immunität durch das renommierte Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Im Jahre 2023 konnte Dr. Schommers eine Else Kröner Clinician Scientist Professur bei der Else Kröner-Fresenius-Stiftung einwerben, welche aktuell an der medizinischen Fakultät eingerichtet wird.


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Forschung

Abbildung 1. Breit HIV-1-neutralisierende Antikörper und Epitope auf HIV-1 Hüllprotein (fettgedruckte bNAbs sind in die klinische Erprobung gelangt, Gruell & Schommers, Current Opinion in Virology 2022)
Abbildung 1. Breit HIV-1-neutralisierende Antikörper und Epitope auf HIV-1 Hüllprotein (fettgedruckte bNAbs sind in die klinische Erprobung gelangt, Gruell & Schommers, Current Opinion in Virology 2022), Quelle: Priv.-Doz. Dr. Dr. Philipp Schommers

Eines der prominentesten Beispiele für virale Escape-Mutationen war in den letzten Jahren SARS-CoV-2, dessen neue Varianten immer mehr Escape-Mutationen erworben haben, die zu einer erheblich erschwerten Erkennung und Neutralisierung des Virus durch das humorale Immunsystem und monoklonale Antikörper führten. Während jedoch Viren wie SARS-CoV-2, die zu einer akuten Infektion führen, bei den meisten Patienten nur selten Escape-Mutationen entwickeln, können chronisch infizierende Viren wie HIV-1 bei einem einzelnen Patienten im Laufe der Jahre zahlreiche Escape-Mutationen entwickeln, was zu einer Koevolution des Immunsystems und des Virus führt. Bei sehr wenigen Patienten führt diese Co-Evolution zur Entwicklung breit neutralisierender Antikörper (bNAbs), die bis zu 100 % der weltweit zirkulierenden Stämme neutralisieren können. Antikörper haben in der Therapie von Autoimmunkrankheiten und Krebs bahnbrechende Erfolge erzielt, und mit der jüngsten Identifizierung neuer hochwirksamer bNAbs werden Antikörper auch bei künftigen HIV-1-Behandlungs- und Präventionsstrategien eine Schlüsselrolle spielen. HIV-1-reaktive bNAbs, die auf verschiedene Epitope auf dem Hüllprotein abzielen (Abbildung 1), wurden in den letzten Jahren in zahlreichen klinischen Studien getestet, die eine sichere Unterdrückung der Virämie, eine Verzögerung des viralen Rebounds nach Unterbrechung der ART und einen Schutz des Menschen vor empfindlichen Stämmen zeigten. Die Charakterisierung des Zusammenspiels zwischen bNAbs und dem HIV-1-Hüllprotein hat auch die Entwicklung neuartiger HIV-1-Impfstoffe erheblich erleichtert, von denen mehrere Kandidaten derzeit bereits in klinischen Studien geprüft werden.

Aktuelle Herausforderungen

Abbildung 2. Szenarien, die eine Identifizierung der HIV-1-Antikörperresistenz (HIVAR) erfordern.
Abbildung 2. Szenarien, die eine Identifizierung der HIV-1-Antikörperresistenz (HIVAR) erfordern. Quelle: Priv.-Doz. Dr. Dr. Philipp Schommers

Wie bei allen Arzneimitteln gegen HIV-1 stellen virale Resistenzen und Entweichungen eine große Herausforderung für die derzeit verfügbaren bNAbs dar. Wirksame bNAb-Therapien und Impfstoffe könnten durch de novo oder bereits bestehende HIV-1-Antikörperresistenzen (HIVAR) behindert werden. RNA-Viren wie HIV-1 zeichnen sich durch außergewöhnlich hohe Spontanmutationsraten aus. Insbesondere das HIV-1-Hüllprotein (HIVenv) kann sich dem durch neutralisierende Antikörper vermittelten Immundruck rasch entziehen, und klinische Studien haben gezeigt, dass solche Mutationen bei vielen Patienten bereits vorhanden sind und/ oder sich während der Behandlung mit bNAbs beim Menschen schnell de novo entwickeln können. Darüber hinaus können HIV-1-Impfstoffe, die so konzipiert sind, dass sie bei den Geimpften bNAbs auslösen, nur gegen empfindliche Stämme schützen. Daher ist die schnelle Testung von Patienten oder sogar großen Kohorten auf ihre bNAb-Empfindlichkeit von entscheidender Bedeutung für den künftigen klinischen Einsatz von bNAbs oder bNAb-induzierenden Impfstoffen (Abbildung 2).

Unsere Ziele und weitere Perspektiven

Abbildung 3. Von Patienten stammende HIV-1-Env aus Plasma und ihre jeweilige Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen bNAbs. Die Sequenzen wurden mit 2351 Sequenzen der Klade B von LANL verglichen. Interessante Aminosäuremutationen sind in rot markiert (nach Schommers et al., Cell 2020)
Abbildung 3. Von Patienten stammende HIV-1-Env aus Plasma und ihre jeweilige Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen bNAbs. Die Sequenzen wurden mit 2351 Sequenzen der Klade B von LANL verglichen. Interessante Aminosäuremutationen sind in rot markiert (nach Schommers et al., Cell 2020), Quelle: Priv.-Doz. Dr. Dr. Philipp Schommers

Unsere Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, neue Methoden zu entwickeln, die eine schnelle Identifizierung von HIV-1-Antikörperresistenzen (HIVAR) aus replikations- oder translationsfähigen Proviren in HIV-1-infizierten Personen ermöglichen (Abbildung 3). Dies wird dazu beitragen, HIVAR weiter zu charakterisieren und zu verstehen, was für künftige klinische Studien von größter Bedeutung sein wird. Im Ergebnis wird unsere Arbeit wesentlich dazu beitragen, künftige bNAb-Behandlungs- und Präventionsstrategien sowie HIV-1-Impfstoffe zu verbessern, die bNAbs auslösen und das Leben von HIV-1-infizierten Patienten deutlich verbessern können.

Team

Carmen Arentowicz (Doktorandin)
Dominik Aschemeier (Doktorand)
Anna-Maria Baleff (Doktorandin)
Nikolai Grahn (Doktorand)
Friederike Hartkopf (Studentische Hilfskraft)
Annalena Labeit (Doktorandin)
Luana Girao Lessa (Studentische Hilfskraft)
Dr. Hanna Ludwig (Postdoc)
Michelle Nguyen (Studentische Hilfskraft)
Dr. Stanley Odidika (Postdoc)
Nicole Riet (Technische Assistenz)
Max Szameitat (Doktorand)