Unter der Konsortialführung der Uniklinik Köln und der Medizinischen Fakultät läuft aktuell das vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds mit circa zehn Millionen Euro geförderte Projekt zur „Steuerung personalisierter Lungenkrebstherapie durch digitale Vernetzung von Behandlungspartnern und Patienten“ – DigiNet. Das Neue daran: Alle relevanten Daten können automatisiert übermittelt oder im zentralen Datenbanksystem eingetragen werden. Und: die Patientinnen und Patienten werden beteiligt.
Personalisierte Krebstherapien gewinnen in der Therapie aller Krebserkrankungen an Bedeutung. Besonders dynamisch verläuft die Entwicklung seit 2009 bei den nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC), die mit rund 85 Prozent den Großteil aller neuen Lungenkrebs-Diagnosen ausmachen und auch die Liste der häufigsten Krebstodesursachen anführen. Für circa 35 Prozent der Patientinnen und Patienten mit einem fortgeschrittenem Adenokarzinom der Lunge ist eine personalisierte Therapie heute Erstlinienstandard. Für weitere circa 30 Prozent werden sie in Kürze in der Regelversorgung zur Verfügung stehen. Grundlage für die Behandlung mit personalisierten Medikamenten ist eine molekulare Tumordiagnostik unter Einsatz neuer DNA- und RNA-Sequenziertechnologie, eine kompetente Interpretation der Befunde sowie Erfahrung mit der Durchführung molekular gesteuerter Therapien. Unter diesen Voraussetzungen werden mit personalisierten Therapien substantielle Verlängerungen des Überlebens erzielt bei gleichzeitig besserer Verträglichkeit.
Aber: Die Implementierung einer solchen forschungsnahen Medizin in die Breite der Versorgung stellt für das deutsche Gesundheitssystem mit seiner Vielzahl von Leistungserbringern eine große Herausforderung dar. So wird beispielsweise beim fortgeschrittenen NSCLC trotz Leitlinien-Empfehlung circa ein Drittel der Patienten gar nicht getestet und auch nicht alle getesteten Patienten erhalten die bestmögliche Therapie. Neben den fatalen Konsequenzen für die Patienten führt die fehlende Steuerung auch zu einem unkontrollierten Einsatz neuer hochpreisiger Medikamente. Diese Situation erfordert neue Formen der Zusammenarbeit zwischen forschungsnahen Zentren sowie Krankenhäusern und Praxen. Die sektorübergreifende Optimierung der Tumortherapie durch digitale Vernetzung ist daher das Ziel von DigiNet. Das Projekt baut auf den Vorarbeiten des nationalen Netzwerks Genomische Medizin (nNGM) Lungenkrebs auf, das ebenfalls aus der Uniklinik Köln heraus gesteuert wird.
Insgesamt sollen 2.400 Patienten in die DigiNet-Studie eingeschlossen werden. In zwei Modelregionen (Ost und West) werden die Netzwerkzentren und die regionalen Netzwerkpartner (Krankenhäuser, Praxen) des nNGM erstmalig über eine kontinuierliche Datenerfassung mit ihren Patienten vernetzt. Die Datenerfassung erfolgt in einem medizinischen Dokumentationssystem und umfasst sowohl die Ergebnisse der molekularpathologischen Diagnostik im nNGM sowie den kompletten Behandlungsverlauf ab dem Tumor-Stadium IV. Die Patienten beteiligen sich außerdem aktiv in Arbeitsgruppen und mittels Patient Reported Outcome (PRO) Befragungen, über die ihre subjektive gesundheitsbezogene Lebensqualität regelmäßig erfasst wird.
DigiNet- und nNGM-Sprecher Univ.-Prof. Dr. Jürgen Wolf, Leiter des Lungenkrebsschwerpunktes und Ärztlicher Leiter des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) an der Uniklinik Köln, erwartet gerade von der patientennahen Umsetzung besonderen Erkenntnisgewinn: „Mit DigiNet realisieren wir den Innovationstransfer in die Flächenversorgung, aber auch von dieser zurück in die Forschung. Wir haben in dieses Projekt auch bewusst die Patienten mit einer sehr aktiven Rolle eingebunden und sind gespannt, wie sich die zeitnahen Einschätzungen der Patienten zu Symptomkontrolle, Lebensqualität oder Mobilität auf die Forschung und Versorgung auswirken.“
Um zu evaluieren, ob die optimierte Steuerung der onkologischen Präzisionsmedizin das Überleben und die gesundheitsbezogene Lebensqualität von NSCLC-Patienten im Vergleich zur Regelversorgung steigert, wird eine prospektive Kohortenstudie einschließlich einer qualitativen Studie zur Erhebung von förderlichen und hemmenden Faktoren durchgeführt.
Der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) hat 2021 neue Projekte aus dem Bereich „Neue Versorgungsformen“ veröffentlicht, wovon 15 dem Themenbereich „Digitale Transformation – Lösungen zur Weiterentwicklung der Versorgung“ zuzuordnen sind, zu dem auch das Projekt „DigiNet“ zählt. Der G-BA fördert darüber Projekte, die über die bisherige regelhafte Gesundheitsversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland hinausgehen, und gezielte Impulse für die innovative Weiterentwicklung des Gesundheitswesens geben.